Mit Geisterspielen ist den allerwenigsten Profisport-Vereinen in Bayern geholfen. Es wird Zeit, dass unsere Staatsregierung Farbe bekennt, ob sie nun Zuschauerinnen und Zuschauer im Stadion zulassen möchte oder nicht. Mein Brief an unseren Ministerpräsidenten Dr. Markus Söder im Wortlaut:
„Sehr geehrter Herr Ministerpräsident,
ich wende mich heute in meiner Eigenschaft als sportpolitischer Sprecher der Grünen-Landtagsfraktion an Sie. Wie Sie sicher wissen, ist die Corona-Krise auch an der Sportbranche nicht spurlos vorüber gegangen. So facettenreich die Sportlandschaft, so unterschiedlich sind auch die Auswirkungen des Lockdowns. Glücklicherweise konnten einige finanzielle Folgen mithilfe staatlicher Mittel vorerst abgefedert werden. Die Verdopplung der Übungsleiterpauschale in Bayern begrüßen wir, genauso die Wiederaufnahme des Spielbetriebs in der 1. und 2. Fußball-Bundesliga in Form von Geisterspielen, wenngleich wir den Startzeitpunkt als zu früh erachtet haben. Die Zulassung des Finalturniers der BBL in München war aus unserer Sicht ebenso eine richtige Entscheidung.
Im Rahmen meiner sportpolitischen Sommertour war ich in den vergangenen Wochen bayernweit unterwegs und habe festgestellt, dass bezüglich des Saisonstarts 2020/2021 unter den Verantwortlichen weiterhin große Unsicherheit herrscht. Dies betrifft insbesondere die bayerischen Profisport-Standorte abseits der 1. und 2. Fußball-Bundesliga. Clubs wie zum Beispiel die Ice Tigers Nürnberg, die Augburger Panther, die Straubing Tigers oder auch der Traditionsverein ESV Kaufbeuren sind wie alle anderen DEL- und DEL2-Standorte aus der bayerischen Sportlandschaft nicht wegzudenken. Woche für Woche bringen sie tausende Menschen unterschiedlicher gesellschaftlicher Schichten zusammen und sind nicht zuletzt auch Zugpferde für die Jugendarbeit in den jeweiligen Regionen. Dies gilt natürlich gleichermaßen für bayerische Profi- und Semiprofivereine anderer Publikumssportarten wie zum Beispiel aus dem Handball (HC Erlangen, HSC Coburg, Wölfe Rimpar, TuS Fürstenfeldbruck), dem Basketball (z.B. Brose Bamberg, s.Oliver Würzburg, medi Bayreuth, FC Bayern München), dem Volleyball (Volleys Herrsching, TSV Unterhaching), oder dem Fußball (FC Bayern Frauen, FC Ingolstadt, TSV 1860 München, SpVgg Unterhaching), um nur wenige zu nennen. Die aufgeführten Vereine beziehen im Gegensatz zu den Klubs der 1. und 2. Fußball-Bundesliga den Großteil ihrer Einnahmen direkt oder indirekt aus Zuschauereinkünften, ein Austragen der Wettkämpfe vor leeren Rängen ist für sie wirtschaftlich nicht darstellbar beziehungsweise sogar schädlich.
Auf Bundesebene gibt es zwar das Programm „Coronahilfen Profisport“, dies wird jedoch in den genannten Ligen keinen geregelten Wettkampfbetrieb finanzieren können, solange weiterhin keine Zuschauerinnen und Zuschauer in den Stadien und Hallen zugelassen werden. Natürlich steht die Eindämmung des Infektionsgeschehens auch im Sport an erster Stelle, ich bitte Sie aber im Sinne des SMK-Beschlusses vom 15.07.2020, die verantwortungsvolle Wiederzulassung von Zuschauerinnen und Zuschauern bei möglichen Lockerungen in den Blick zu nehmen. Nach unseren Kenntnissen arbeiten sämtliche Ligen unter Hochdruck an tragfähigen Hygiene-Konzepten, warten aber vergebens auf Signale der Politik. Ermöglichen die politischen Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger eine schrittweise Zulassung des Publikums – idealerweise unter wissenschaftlicher Begleitung – vermindert dies nicht nur die wirtschaftlichen Einbußen der Klubs, sondern trägt dazu bei, dass die gesamte Gesellschaft neue Erkenntnisse über das Infektionsrisiko beim Veranstaltungsbesuch erlangt. Schließen Sie jedoch bis Jahresende den Besuch von Sport-Großveranstaltungen, die es noch näher zu definieren gilt, kategorisch aus, müssen die Vereine unserer bayerischen Sportlandschaft dies frühzeitig erfahren. Nur so lassen sich eigens eingeleitete Sparmaßnahmen wie ein verzögerter Vorbereitungsauftakt oder Gehaltskürzungen umsetzen. In diesem Falle muss allerdings spätestens im Herbst dieses Jahres über weitere finanzielle Unterstützungen für den Profisport abseits der DFL-Ebene auf Landes- und Bundesebene nachgedacht werden.
Mir persönlich ist sehr viel am Erhalt der traditionsreichen Profisport-Landschaft in Bayern gelegen. Sie darf meines Erachtens – auch aus wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Gesichtspunkten – nicht Corona zum Opfer fallen.
Für einen Austausch zu diesem Sachverhalt stehe ich Ihnen natürlich jederzeit zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Max Deisenhofer, MdL
Sportpolitischer Sprecher der Grünen-Landtagsfraktion“