Ein Frühschoppen gegen das Vergessen

Katharina Schulze und Max Deisenhofer sprechen Rettungskräften in Diedorf ihren Dank aus. Was sich ein Jahr nach der Hochwasserkatastrophe getan hat.

Ein Jahr nach dem Hochwasser oder ein Jahr nach schweren Schicksalsschlägen oder ein Jahr nach einem der härtesten Katastropheneinsätze für die örtlichen Rettungsorganisationen: An diesem Freitagmorgen erinnert im Diedorfer (Landkreis Augsburg) Feuerwehrhaus nur wenig an den kräftigen Dauerregen, der an den Mai- und Junitagen 2024 eine verheerende Flutkatastrophe in Teilen Bayerns ausgelöst hat. Nach Angaben des Deutschen Wetterdienstes kamen lokal Regenmengen vom Himmel herab, wie es sie nur alle 100 Jahre gibt. Mindestens 15 bayerische Landkreise riefen damals den Katastrophenfall aus. Versicherungsunternehmen schätzen die Höhe der versicherten Schäden auf mehr als vier Milliarden Euro. Vier Menschen starben, der 22-jährige Feuerwehrmann Dennis aus dem Nachbarlandkreis Günzburg gilt immer noch als vermisst.

Heute steht die Sonne steil am blauen Himmel, die Feuerwehrfahrzeuge parken frisch geputzt vor dem Gerätehaus und auf Biertischen lädt eine deftige Brotzeit zum Verweilen ein. Der Frühschoppen, zu dem die Grünen-Landtagsabgeordneten Katharina Schulze und Max Deisenhofer geladen haben, soll den mehr als 60 Rettungskräften von Feuerwehr und THW Raum geben für ihre Sorgen und Fragen und vor allem Dank ausdrücken für die geleistete Hilfe im Vorjahr. „Ihr habt Großartiges geleistet und manchmal auch euer eigenes Leben riskiert. Danke. Wir sind euch sehr viel schuldig und vor allem auch, dass jetzt nicht das Vergessen einsetzt“, sagt Schulze. Sie erinnert genau daran, dass Regentagen Sonnenschein folgt und auch die politisch Verantwortlichen gerne zur Tagesordnung übergehen: „Hochwasserschutz ist nicht immer sexy und vor allem ist Hochwasserschutz zäh. Er kostet viel Geld, dauert lange in der Umsetzung und wenn er nicht zum Einsatz kommt, wird die Investition wieder hinterfragt.“

Wenn aber nicht vorgesorgt wird, drohen Reparaturkosten und Entschädigungen, die die Ausgaben für den Bau eines Damms oder die Renaturierung eines Flusses bei Weitem übersteigen. Deisenhofer, der örtliche Landtagsabgeordnete, kennt solche Beispiele aus der Region zuhauf. In Siefenwang bei Dinkelscherben liegen ganze 24 Jahre zwischen der ersten Planung eines Rückhaltebeckens und dem erfolgreichen Spatenstich. „Die Zusam ist gemäß der EU Hochwasserrisikomanagement Richtlinie (EU HWRMRL) als Gewässer mit einem besonderen Hochwasserrisiko eingestuft“, antwortete das Umweltministerium 2019 sogar auf eine Anfrage Deisenhofers, um sich wenig später aus Kostengründen vorerst gegen den Bau zu entscheiden. Mehrere Hundert Bürgerinnen und Bürger aus Dinkelscherben und Zusmarshausen hätten 2024 vor vollgelaufenen Kellern bewahrt werden können.

„Der Klimawandel wirkt sich immer krasser aus. Wir müssen den Hochwasserschutz zum überragenden öffentlichen Interesse erklären. Und wir haben gesehen, dass Hochwasser in der Fläche und vor allem an kleinen Flüssen entstehen kann und nicht nur an der Donau. Prestigeprojekte wie Flutpolder nutzen uns nichts an Zusam, Mindel oder Kammel“, betont Deisenhofer.

Die Marktgemeinde Diedorf ist inzwischen ein gebranntes Kind und will sich nicht allein auf den Freistaat Bayern verlassen. Ein zweites großes Schutzbecken am Lettenbach sei inzwischen fertiggestellt, berichtet Bürgermeister Peter Högg nicht ohne Stolz. Digitale Messpegel am Anhauser Bach sollen künftig Verwaltung und Feuerwehr rechtzeitig vor Notlagen warnen. Es entsteht der Eindruck, die tragische Hochwasserlage hätte richtig was bewegt. Vor allem auch, was den gesellschaftlichen Zusammenhalt angeht. Sogar zwei Ehrenamtliche des THW aus dem oberbayerischen Traunstein haben sich auf den Weg nach Schwaben gemacht. 2024 waren sie mit ihrer Pumpausrüstung tagelang gefordert, ein Jahr später sind sie dankbar um die Anerkennung und das Beisammensein unter wolkenlosem Himmel.

 Parlamentarische Anfragen – 1 Jahr nach dem Hochwasser